Jan Pfaff Journalist |
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Schüsse, Schuld und Sühne
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In Philadelphia setzt ein
Staatsanwalt auf Prävention statt auf Haft. Doch die Zahl
der Schießereien steigt drastisch. Sind seine Reformen
gescheitert?
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taz am wochenende, 21.11.2021 |
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Wenn Larry Krasner auf seine erste Amtszeit als leitender
Staatsanwalt von Philadelphia zurückblickt, klingt Stolz
in seiner Stimme durch. „Wir haben die Zahl der
Gefängnisjahre, die in Philadelphia als Strafe verhängt
wurden, halbiert“, sagt er und lehnt sich in seinem Büro
in einem blauen Ledersessel zurück. Mit diesem Vorhaben war er vor vier Jahren angetreten, als er District Attorney werden wollte, der oberste kommunale Staatsanwalt der 1,6-Millionen-Stadt im Nordosten der USA. Krasner versprach, unschuldig Verurteilte aus den Gefängnissen zu holen, bei Sexarbeit und kleineren Drogendelikten keine Anklage mehr anzustreben und die Zahl der vor Gericht geforderten Haftjahre stark zu reduzieren. Der Fokus müsse auf Prävention und Rehabilitation liegen, nicht auf Bestrafung. Der District Attorney wird direkt von der Bevölkerung gewählt. Larry Krasner kandidierte 2017 als Außenseiter, unterstützt von mehreren Graswurzelbewegungen, aber nicht vom Establishment der Demokratischen Partei, die in Philadelphia politisch dominiert. Zuvor hatte er drei Jahrzehnte als Anwalt gearbeitet, politische Aktivisten vertreten und die Polizei von Philadelphia 75-mal wegen der Verletzung von Bürgerrechten verklagt. Kaum im Amt, feuerte Krasner 30 Staatsanwälte, die seinen neuen Kurs nicht mittragen wollten. Er legte sich mit der Polizeigewerkschaft an und klagte in diesem Sommer drei Polizisten an, die mit Falschaussagen dafür gesorgt hatten, dass ein unschuldiger Mann 25 Jahre im Gefängnis saß. Durch Krasners Amtsantritt ist Philadelphia zu einem Kampfplatz geworden, auf dem darum gerungen wird, mit Justizreformen die Gesellschaft der USA zu verändern – Reformen, die vor allem darauf abzielen, das System der Masseninhaftierungen zu beenden: In den USA sitzen so viele Menschen im Gefängnis wie in keinem anderen Land der Welt, in absoluten Zahlen und auch pro Einwohner. Weiterlesen auf taz.de |